Lea W. Frey mit neuem Album im September bei enja / yellowbird

Wer sich aufs Plateau wagt, darf keine Angst vor dem Abgrund haben. Jeder Aufbruch zur Hochebene ist immer auch eine Reise mit offenem Ausgang. Die Berliner Sängerin Lea W. Frey macht sich auf ihrem dritten Album Plateaus, das am 06.10.2017 bei enja / yellowbird veröffentlicht wird, auf die Reise.

Plateaus symbolisiert zugleich Aufbruch und Kontinuität. Besser gesagt, die Musik steht gleichermaßen für Aufbruch in der Kontinuität und Kontinuität im Aufbruch. Und damit seien auch gleich die Musiker genannt, mit denen die Sängerin sich aufs Plateau begibt, denn ohne diese Mitstreiter wäre das Album nicht, was es ist. Mit Peter und Bernhard Meyer an Gitarre und Bass, bekannt unter anderem vom Melt Trio, hat sie bereits ihre ersten beiden Alben eingespielt. Notwist-Drummer Andi Haberl kam zunächst als Live-Drummer hinzu und gab der Band einen ganz neuen Druck. Und die aus dem Brooklyn Underground stammende Keyboarderin Liz Kosack versieht die neuen Songs mit ungewohnten Klangfarben. „Obwohl ich auf die Stabilität mit dieser Kernband setze, fühlt es sich doch wie ein Neuanfang an“, sinniert Lea W. Frey. „Ich bin ein recht anhänglicher und treuer Mensch. Deshalb ist es mir wichtig, dass es mit diesen Musikern passiert. Eine personelle Zäsur wäre für mich undenkbar gewesen. Die Musik ist organisch gewachsen. Und doch findet sich gerade alles neu.“

Wer die kristallin verstiegenen Jazz-Versionen bekannter Popsongs unterschiedlichster Provenienz auf Lea W. Freys bisherigen Alben We Can’t Rewind (2011) und How Soon Is Now (2013) kennt, wird von der massiven Physis auf Plateaus überrascht sein. Ihr glasklarer, obertonreicher Gesang schwebt nicht mehr ausschließlich über den Soundteppich ihrer Mitmusiker hinweg, sondern fädelt sich zwischen den grandios verschmolzenen, scheinbar gegensätzlichen Schichten und Sphären der Musik hindurch. Ihre Stimme ist größer geworden, und so brauchte sie auch eine größere Band. Haberls zyklische Drum-Figuren erinnern nicht selten an den jüngst verstorbenen CAN-Drummer Jaki Liebezeit, Liz Kosacks halluzinogene Keyboard-Schwaden verstärken diesen Krautrock-Aspekt zusehends.

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Dabei ist Plateaus alles andere als eine Abkehr vom Jazz, findet Lea W. Frey. „Mein Leben führt ja sowieso schon immer zwischen den Aspekten Jazz, Klassik, Pop und Rock hin und her.“ Ihre Klassik-Affinität zeigte die Künstlerin zum Beispiel im Sommer 2016 mit einem Auftritt auf Einladung des jungen Sinfonieorchesters Berlin, mit dem sie die Sopran-Solo-Partie aus Beethovens Neunter in der Berliner Philharmonie sang. „Ich habe mich an den verschiedenen Stilistiken abgerieben und durch das Loslassen von Überflüssigem meine eigene Mitte gefunden. Die Stücke sind ausnahmslos aufgrund von Improvisation entstanden. Wäre Jazz kein Teil meines Lebens, wäre das so sicher nicht gekommen.“

Plateaus ist ein kraftvoller Neuanfang und somit auch für jeden Hörer eine gute Möglichkeit zum Neueinstieg, und doch passiert bei Lea W. Frey nichts nur um seiner selbst willen. Um in der Welt ihrer eigenen Songs anzukommen, war es auf ihren ersten beiden Alben notwendig, sich durch einen riesigen Fundus von Songklassikern zu covern, die sie von innen aufgebrochen und in eine eigene Ästhetik übersetzt hat. „Diese Coverversionen haben viel mit mir gemacht“, konstatiert sie auf dem Hochplateau ihrer eigenen Lieder. „Auf jeden Fall bin ich den ursprünglichen Interpreten viel näher gekommen. Vielleicht auch ihren Themen. Das sind ja Themen, an denen früher oder später niemand vorbei kommt. Ich habe mich gefragt, was diese Künstler mit ihrer ganz subjektiven Wahrnehmung daraus machen. Im Endeffekt sind das ja auch nur Menschen, die auf bestimmte Weise etwas sagen. Da sind gar nicht so viele Filter eingebaut, wie man manchmal denkt. Wenn man in die Texte einsteigt, spürt man die Person dahinter. Ich habe das Gefühl, auf diese Weise bin ich mir auch selbst näher gekommen.“

Vereinfacht könnten wir den Prozess wie folgt beschreiben: Lea W. Frey hat bekannte Pop-Titel in eine sehr persönliche Jazzwelt übersetzt, jetzt schreibt sie ihre eigenen Songs und trägt ihre Erfahrungen mit dem Jazz zurück in eine komplexe Welt zwischen Indie-Rock und elektronischer Klangerfahrung. Aber das Leben ist komplexer. Mit 16 hatte sie bereits eine Rockband, nebenbei nahm sie klassischen Gesangsunterricht. Und wie sich das gehört, verbot ihre Lehrerin der angehenden Sängerin die Arbeit mit ihrer Rockband. Lea entschied sich für einen anderen Weg. „Immer wenn ich nach einer Probe mit meiner Band zum Klassik-Unterricht ging, sagte die Lehrerin, meine Stimme würde so gut klingen. Diese Erfahrung begleitet mich bis heute. Es fühlt sich wie ein Neuanfang an, aber auch wie die Ankunft bei einer ganz aufrichtigen Haltung, die ich vor meinem Studium schon einmal innehatte.“

All diese Sedimente verdichten sich auf der entlegenen Welt von Plateaus zu einem ganz speziellen Nährboden. Nach eigenen Worten geht es Lea W. Frey um Ebenen und Hochebenen, neue Perspektiven, Verschiebungen und eine Vielfalt von Sichtweisen. Ihre Texte lassen Raum zur Interpretation. Metaphorisch beschreibt sie es mit einem Bild, auf dem sich Menschen und Tiere angesichts steigender Wasserspiegel auf ein Hochplateau flüchten. Nicht nur das Verhältnis von Wasser und Land verändert sich, auch die bekannten Grenzen, topografisch und psychologisch, verschieben sich. Lea W. Freys Sound ist eine Arche, die nicht zuletzt ihr selbst Sicherheit und Kraft gibt. „Es ist mir wichtig zu kommunizieren, dass bestimmte Entwicklungen einen Schmerz in mir erzeugen. Fragen des Klimas und der Gentrifizierung in Berlin waren weder der Grund für die Platte noch ihr Ziel, aber ich spürte da eine Dringlichkeit und Wut in mir, die raus musste. Dem wollte ich eine Form geben, und ich finde es gut, wenn das verstanden wird.“

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Irgendwo in der Stratosphäre mit CAN, Sun Ra, Portishead und Sonic Youth vereint findet sich die Band in einem Prozess wieder, in denen Fragen der künstlerischen Kontrolle überhaupt keine Rolle mehr spielen. Wie bereits in ihren Konzerten, so breiten sich auch auf der CD rituelle Energie und magische Klangströme über die Wahrnehmung ins Nervensystem des Hörers aus. Der Gravitationspunkt wechselt ständig, mal sind es die zyklisch treibenden Drumfiguren von Haberl, mal die toxischen Soundkaskaden von Kosack, mal die Doppelhelix aus Bass und Gitarre der Meyer Bros und dann wieder die vokalen Einlassungen der Bandleaderin. Verschiedene Gitarren-Schollen driften gegeneinander, minimalistisches Jazz-Drumming verzahnt sich mit elektronischen Drum-Machine-Sounds, und die Wucht der akustischen Bilder macht die Herkunft des einzelnen Sounds zur schönsten Nebensache der Welt. Die angesprochenen Verschiebungen und Perspektivwechsel finden jedoch nicht nur in der Musik selbst statt. Wenn Lea W. Frey im Titelsong davon singt, dass Haie auf dem Plateau an Blumen knabbern, wird deutlich, dass über kurz oder lang nichts bleibt, wie es ist. All diese Komponenten fügen sich zu einem magischen Klanguniversum, in dem alles Sound wird, nicht nur jede Note, jede Harmonie und jeder Puls, sondern am Ende auch jedes Wort, jede Zeile, jeder Subtext.

Plateaus ist genau das richtige Statement zur rechten Zeit. Es ist ein Hochgenuss, gemeinsam mit Lea W. Frey, Peter und Bernhard Meyer, Liz Kosack und Andi Haberl die Ruhe und Weite des Plateaus zu genießen und aus der Distanz in die Niederungen der Ebenen hinabschauen zu können. Wenn es um die ultimative Beschreibung ihrer Musik geht, findet niemand passendere Worte als Lea W. Frey selbst: Plateaus ist „genussvoll abgründig, groß und körperlich.“ Voila!

Tourdaten:
2017
01.10.2017 Erfurt / Franz Mehlhose (Jazzmeile)
20.10.2017 Wiesbaden / Rudersport
21.10.2017 Brelingen / Brelinger Mitte
27.10.2017 Magdeburg / Moritzhof
28.10.2017 Bielefeld / Ulmenwall
31.10.2017 Berlin / Berghain Kantine
04.11.2017 Eberswalde / Guten Morgen
05.11.2017 Weimar / Mon Ami
15.11.2017 Traunstein / Tropical
16.11.2017 Ingolstadt / Tagtraum
30.11.2017 Nürnberg / Z-Bau (in der Reihe: Searching for the Young Jazz Rebels)

2018
02.02.2018 Dresden / Kukulida
23.03.2018 Leipzig / Telegraph
24.03.2018 Stuttgart / N.N.
25.03.2018 Nürnberg / DB Museum (11 Uhr)
25.03.2018 Ludwigsburg / Fetzerei
10.05.-12.05.2018 Berlin / X-JAZZ-Festival
07.06.2018 Lauenau / Kesselhaus (tbc)
10.06.2018 Kiel / Kulturforum (tbc)

Weitere Informationen:
www.leawfrey.de
https://www.facebook.com/leawfrey

Lea W. Frey
Das neue Album: Plateaus
VÖ: 06.10.2017
Label: enja/yellowbird
Vertrieb D/A/CH: Soulfood
Barcode (UPC): 767522777727
Katalognummer: yeb-7777
Labelcode: 18386

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