Etienne Sevet alias The Bongo Hop überquert mit seinem dritten, am 15.11.2024 bei Underdog Records erscheinenden Album La Pata Coja gleich mehrmals den Atlantik, immer auf der Suche nach seinem musikalischen Traumland aus farbenfroh-leuchtenden, hochinfektiös-tanzbaren, die Genres ad absurdum führenden groovy Stücken. Auf den acht Passagen nimmt der mittlerweile in Lyon lebende Musiker seine vom Sextett zum Oktett gewachsene Band sowie viele Gäste mit, darunter Moonlight Benjamin und Lucas Santtana, den Etienne schon während seiner Arbeit als Musikjournalist interviewt und bewundert hatte, sowie seine langjährige musikalische Weggefährtin Nidia Gongora (Quantic, Ondatropica).
Das neue Album:
Es ist ein Album der großen Fülle geworden. Mit Portugiesisch, Spanisch, Kreol sowie Bangangte ist es reich an Sprachen, und mit manchmal dunklen und weirden, manchmal leuchtenden und positiven Klängen reich an musikalischen Kontrasten. Dabei jedoch immer mit einem Afro-Jazz-Ansatz, der klarer zum Vorschein tritt als auf den zwei Vorgängeralben und der EP „La ñapa“. Bei ihnen arbeitete The Bongo Hop im Heimstudio mit Produzent und Multi-Instrumentalist Bruno ‚Patchworks‘ Hovart zusammen. In dieser Konstellation konnte der Sound mit fast endlos scheinenden Modifizierungsmöglichkeiten nach jeder Session verändert werden. Für das neue Album suchte Etienne nach einem neuen Ansatz.
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So besteht das neue Album La Pata Coja aus Sessionaufnahmen, die nahe Lyon, in Montpellier und in Cali entstanden sind und nachträglich nicht mehr verändert wurden: „Es wirkt wie live auf der Bühne mitgeschnitten. Acht Musiker*innen, acht Instrumente, Punkt!“ so Etienne und weiter, „Das zwingt dich sehr gut durchdachte Entscheidungen für die Kompositionen und Arrangements zu treffen, damit du direkt auf den Punkt kommen kannst, was sich in einer spezifischen Ästhetik und Klangpalette zeigt.“
Die Stücke des Albums:
Mit kolumbianischer Soulmusik ist im Titelstück ein für The Bongo Hop neuer Stil dabei. Die Vocals von Nidia Gongora lassen es üppig, tief, blau und grün klingen.
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In „Magica Bonita“ feat. Lucas Santtana trifft brasilianische Popmusik der 1970er Jahre auf Straßentrommeln und einen kolumbianischen Chirimia-Karnevalsrhythmus. „Eko Eko“ ist eine dunkle Neuinterpretation eines Vidé-Karnevalsrhythmus aus Martinique mit Moonlight Benjamins ausdrucksstarker Stimme. Über die Suche nach der richtigen Interpretin für das Stück sagt Etienne: „Es war ziemlich schwierig, jemanden zu suchen, der das singen könnte. Letztendlich schlug jemand Moonlight Benjamin vor, von der ich schon gehört hatte. Nachdem ich ihre Musik kennengelernt hatte, gab es keinen Zweifel mehr. Ich war fasziniert. Es musste einfach sie, ihr barocker Voodoo-Charakter und ihre Stimme, sein.“
Über das erste Stück des Albums, „Mi Olla“, strahlt Nidias Nichte Francy Bonilla mit ihrem Gesang und erzählt in einem kolumbianischen Afro-Beat-Track von den Hoffnungen ihrer Generation auf Gerechtigkeit und Veränderung. Laurène Pierre-Magnani ist in der von Iwan Gontscharows Roman Oblomow inspirierten Chiaroscuro-Afro-Jazz-Ballade „L’oubli mauve“ zu hören. In „meMento“ erzählt Nidia Gongora von Lieblingsorten und Lieblingsdingen über einem jamaikanischen Mento im Timbiqui-Stil; Kephny Eliacin singt im energischen Biguine-Stück „Dekonekte“ darüber, wie es ist, als Haitianer in Paris zu überleben, nachts in Jazzclubs aufzutreten und tagsüber Lebensmittel auf einem Markt zu verkaufen. Währenddessen fängt der Fischer Kumana mit der Stimme von The Bongo Hops Bassist Jean Tchoumi in Kamerun normalerweise nur kleine Fische, aber dieses eine Mal macht er einen großen Fang, und feiert ihn mit einem ironischen Seitenblick auf seine Umgebung.
Der Albumtitel:
Der Albumtitel La Pata Coja („das lahmende Bein“) und das eine Bananenschale zierende Cover beziehen sich auf Etiennes Rekonvaleszenzzeit nach einer Kreuzbandverletzung. Diese zog er sich bei einem Sprung in einen Fluss auf der Insel Dominica zu. Er fürchtete damals, dass er seine Lieblingsbeschäftigung, das Wandern, aufgeben müsse und so kam es zum Motiv der Bananenschale, auf der man bildlich und ganz konkret ausrutschen kann.
Als er die Grundidee an Nidia Gongora weitergab, eröffnete sich allerdings noch eine weitere Dimension, wie Etienne ausführt: „Zwei ihrer Brüder waren verstorben und später auch ihre Mutter, gerade als Nidia mit dem Schreiben beginnen wollte. So befand sie sich in einer absolut aussichtslosen Situation.“ Die beiden sprachen in dieser Zeit oft miteinander und stimmten darin überein, dass es Wunden gibt – egal wie groß oder klein sie sein mögen – die Menschen für immer verändern können. Die sie auf dem Rücken mit sich schleppen. Ihr ganzes Leben ausgerutscht auf einer Bananenschale. „Und trotzdem geht man seinen Lebensweg“, so Etienne, „und mag sogar irgendwann wieder tanzen. Nicht ganz so leicht wie zuvor, nicht mit derselben Beweglichkeit, aber man ist mit seinem ‚pata coja‘ doch immer noch in Bewegung. Nidia mochte die Analogie und machte das Titelstück ganz zu ihrem eigenen.“
Die Analogie hat aber auch viel mit Etienne als Musiker zu tun. Erst spät im Leben fing er mit dem Musikmachen an und hatte nur wenig Ahnung von Musiktheorie und eingeschränkte, ihn sein ganzes Leben begleitende Möglichkeiten an seinem Instrument: „Aber es ist genau dieses Handicap,“ so der Musiker, „das deine Vorstellungskraft über deine Einschränkungen hinauswachsen lässt, so dass du letztlich dein ureigenes Ding machst.“
Hintergrund:
Etienne Sevet wuchs in Bordeaux auf und arbeitete als Musikjournalist und DJ, bevor er selbst Musiker und Komponist wurde, und für einige Zeit in Kolumbien lebte. Der Bandname The Bongo Hop bezieht sich auf einen Charakter aus einer Comicserie, die er als Kind gerne las. Sie handelt von einem afrikanischen Seemann und seinen Reisen durch das von Unruhen bewegte postkoloniale Afrika. In den Comics spielen Musik, Architektur, die Landschaft und die Sprache eine große Rolle und vor alledem, wie Etienne ausführt: „die Idee, dass das Ziel nicht wichtig ist; was zählt, ist das, was du tust, und wem / was du auf der Reise begegnest. Ein sich verlieren als Weg sich zu finden.“
The Bongo Hop hat immer darauf bestanden, keine „kolumbianische Musik“ zu machen: „Ich habe immer gegen dieses ‚Cumbia‘-Label gekämpft, das ich so oft unter meinem Namen erblicken musste. Die Einflüsse aus meinem Adoptivland sind auf vielerlei Wegen spürbar, manchmal subtiler als einfach ein Genre zu verwenden. Als ich in Kolumbien war, hörte ich genauso viel Musik aus Westafrika wie aus Kolumbien und hatte Tagträume von São Tomé, Pointe-Noire und Porto Novo. Wie die Kolumbianer auch, weigere ich mich, einen Platz zugewiesen zu bekommen, aus dem ich stamme oder an dem ich aktuell lebe.“
Dieser aktuelle Ort ist Lyon in Frankreich, wo Etienne Sevet seit seiner Rückkehr aus Südamerika zuhause ist. Zum Teil veranlasst war der Ortswechsel davon, dass er in Cali trotz dessen überaus reichen musikalischen Potenzials den von ihm gesuchten Sound nicht finden konnte. In Lyon traf er auf eine „blühende ‚World Music‘-Szene, die sonst keine Stadt dieser Größe heutzutage aufweist“, so Etienne, „Für die letzten Jahre ist es in Europa neben London oder Paris definitiv einer der ‚places to be‘.“
Weitere Informationen:
https://thebongohop.bandcamp.com/album/la-apa
https://www.facebook.com/bongohopmusic
https://www.instagram.com/thebongohop/
THE BONGO HOP
Das neue Album: La Pata Coja
VÖ: 15.11.2024
Label: Underdog Records
Vertriebe: Broken Silence (physisch) / Believe (digital)
Katalognummer: UR845442
UPC: 3516628454424
Formate: CD, LP, digital
Labelcode: 51324
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