Ob die vier Mitglieder der Band Das Ende der Liebe tatsächlich der Meinung sind, dass Liebe kälter ist als der Tod, ist nicht bekannt – auch wenn der zum Bandnamen gewordene Orakelspruch die eine oder andere Vermutung zulässt.
Doch mit Spekulationen wollen wir uns nicht aufhalten; es gibt nämlich Großes zu berichten: Das Ende der Liebe, ehrfurchtsvoll und schlicht „DEDL“ genannt, bringt am 14.02.2025 eine neue LP namens Persist auf den Markt. Für die Freaks und Sonderlinge, Aussteiger*innen und Außerparlamentarier*innen, Hedoniker und Sardonikerinnen, die sich 2022 vom Glitzi-Glitzi-Cover des letzten Albums SCHNE*E haben verführen lassen, geht damit ein kleiner Traum in Erfüllung, denn immerhin sind schon wieder Tage und Jahre ins Land gegangen, seit der Aufschlag der DEDL-Vision geglückt ist.
Andreas Völk (Live Sampling, Barth Audios, Voice, Organs, Fender Rhodes, Percussion), Laurenz Gemmer (Yamaha CP70 (plain, prepared, sampled), Melodica, Ableton Live), Kenn Hartwig (Electric Bass, Sitar, Nintendo GameBoy, Spherical Sound Society Glitch Storm MK2) und Thomas Sauerborn (Acoustic Drum Set + FX Pedals, Drum Pads, Doepfer Midi Ribbon to Eurorack Modules) zogen als Kolchosbauern aufs Feld und bestellten lysergische Felder, was so viel heißen soll, wie: Hier wurde (und wird immer noch) richtig getrippt.
Für das neuerliche musikalische Abenteuer hat man sich dey in Berlin lebende nicht binäre transdisziplinär-arbeitende Künstlerin und Avantgardistin su dance110 an Bord geholt, dey mit Stimme und Effekten bewaffnet eine völlig neue Facette aus der musikalischen DEDL-Vision rausholt. Wie es zu dieser Kooperation kommt? DEDL-Mensch Andreas Völk traf Teilzeit-DEDL-Mensch su dance110 auf einer Residency in der Dominikanischen Republik – und es klickte sofort. Seitdem hat man bereits eine Cassingle (Kassetten-Single!) namens „MINT / VIOLETTA“ aufgenommen und gleich noch Remixes veröffentlicht. Was fehlte, war die Albumlänge – was man auf Persist nachholt.
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Man lässt sich nicht lange bitten: Der Opener „Mount Q“ ist ein Zug im Vollrausch, ein stotternder Vierzylinder, der von elysischen Stimmbändern in einen gefährlichen Strudel gerissen wird. Schnell wird klar, dass hier die verschiedenen Klangquellen nur sporadisch zu unterscheiden sind, denn es geht um die Mischung, den Mix. Ein Saxofon entpuppt sich als Stimme, eine Percussionline schlüpft aus der Synthese, der Chor ist auch nicht wirklich menschlichen Ursprungs – alles ist so wild und ungezähmt, dass man sich immer wieder zwicken muss: Ja, das ist nicht nur geil, das ist auch großartig.
Es gibt noch so viel mehr zu erforschen, etwa den scharfkantigen sexuellen Dub „S Low“, das wabernde Titelstück „Persist“ und der kosmische Soundtrack „Feuer Orgel“, um nur ein paar der elf Stücke zu nennen. Gedanklich changiert man leidenschaftlich zwischen den Mancusian Studios der Soundforscher von Demdike Stare, der New Yorker Knitting Factory Mitte der Neunziger oder der zeitgenössischen Avantgarde-Szene Tokios – das sind jedenfalls die Assoziationen des Autors dieser Zeilen.
Wer die Auseinandersetzung mit dem Material nochmal vertiefen möchte, dem ist ein Besuch in der hauseigenen „DEDL Megaworld“ ans Herz gelegt. Dabei handelt es sich um ein digitales Archiv, eine erkundbare Homepage, die Alben, Live-Sets und auch ungeschnittenes Studiomaterial für Abenteurer*innen bereitstellt. Neben älterem Material gibt es vor allen Dingen zu entdecken, was im Oktober 2023 im Candy Bomber Studio von Ingo Krauss an gerade einmal drei Tagen in ausgelassen Sessions aufgenommen wurde. Man spürt im soundtrackhaften Giallo-Sound von „Mount R / Da. Sende in the Language of Light“ die Macht der Improvisation und des Loslassen-Könnens. Die Kraft von Persist entsteht aus der Direktheit – Overdubs sucht man hier vergeblich.Rainer Werner Fassbinder, der Autor des anfangs erwähnten Films Liebe ist kälter als der Tod, soll mal gesagt haben, dass er lieber Filme mache als Bomben werfe. DEDL und su dance110 halten es anders, werfen Songs als Neurobomben auf die Synapsenspalte und erfreuen sich der Achterbahnfahrten durch Persist und die DEDL Megaworld.
Text: Lars Fleischmann
Tourdaten:
14.11.2024 Hamburg / MS Stubnitz
16.11.2024 Wuppertal / Loch
19.12.2024 Köln / Ebertplatz
Hintergrund:
2014 machten sich vier Vibrationsalchemisten in einem vermoderten Kölner Kellerkabuff ans Werk, eine neue, an Clubmusik angelehnte Improvisationsform im Geiste des Jazz zu entwickeln, verstricken sich aber stattdessen in emotionale Diskussionen über Aliens und Agogik, Minimalismus und Maya-Sternzeichen, RFID-Chips und karnatische Rhythmik.
Andreas Völk, Laurenz Gemmer, Kenn Hartwig und Thomas Sauerborn hatten sich zuvor im Umkreis der HfMT Köln kennengelernt und bereits in anderen Projekten zusammengespielt. Die Axiome, die im Jazzstudium vermittelt worden waren, galt es, in einem Akt der Befreiung zu zerstören – Das Ende der Liebe ward geboren. Dessen endlose Musik ist stets frei improvisiert und lässt sich schwer einem Genre zuordnen.
Der erste, längst vergriffene Tonträger ist trotz zum Einsatz kommendem Gameboy noch halbwegs jazz-traditionell, bei späteren Einspielungen kommen u.a. Live Sampling, Barth Audios, Kawai EP308, Voice, Effects, Ableton Live, Live Beat- & Sound Processing, Synths, Fender Rhodes, Organs, Percussion, Yamaha CP70 (plain, prepared, sampled), Melodica, KW-Radio, Laptop, Software, Circuit-Bending, Electric Bass, Sitar, Spherical Sound Society Glitch Storm MK2, Acoustic Drum Set + FX Pedals, Drum Pads, Doepfer Midi Ribbon to Eurorack Modules zum Einsatz.
Nicht nur beim eingesetzten Instrumentarium, auch in anderen Aspekten geht die Band ihren eigenen Weg: Das Ende der Liebe spielt keine Songs, sondern frei improvisierte Sets. Die Musik wird im Augenblick entwickelt, über eine Länge von 60 Minuten, 90 Minuten, zwei Stunden und mehr. Sieben Jahre dauerte es, bis das erste in einem Kellerkabuff aufgenommene „Studioalbum“ Bright Euro Teen Gets Educated About Life by Trip Music Band erscheint. Die aktuellsten Veröffentlichungen sind die Doppel-Vinyl SCHNE*E (2022), mit der DEDL deutlich elektronischer und abstrakter wurde, und die MC „Mint / Violetta“ (2023). SCHNE*E wurde vom Magazin GROOVE zu einem der Alben des Jahres gekürt.
Interdisziplinäre Projekte wie z.B. Konzerte und Events mit zeitgenössischem Tanz gehören zum Banduniversum. Für das Stück „Mint“ wurde ein KI-generiertes Video in Zusammenarbeit mit pollionations.ai realisiert. Zudem gab die Band Workshops zu den Themen Improvisation, Band-Dynamik und Technikeinsatz, bei denen sowohl Studierende als auch Laien als Publikum beteiligt waren.
Das Ende der Liebe veröffentlicht exklusiv auf dem von drei der vier Bandmitgliedern betriebenen Label Anunaki Tabla (https://anunaki-tabla.com), mit einer Konzentration auf Musik, die sich ähnlich wie die der Band nur schwer in Genres stecken lässt. Das Label umschreibt den eigenen künstlerischen Fokus folgendermaßen: „Anunaki Tabla is a German music label dedicated to Alien-Jazz, Quantum-Rock and Low-Current-Electronica.“
Außerdem entsteht unter https://megaworld.dasendederliebe.de zurzeit das Musikarchiv der Band mit dem Ziel, sämtlichen bisherigen und zukünftigen Output der Band an einem Platz zu bündeln. Regler mit Beschreibungen wie „Lysergic“, „Dance“, „Erotic“ sowie Kill-Switches für bestimmte Instrumentenarten sorgen dafür, dass jeder Besucher sich aus dem gesamten DEDL-Kosmos eine Playlist nach seinem Geschmack zusammenstellen kann.
Weitere Informationen:
https://dasendederliebe.de
https://megaworld.dasendederliebe.de
Kurzbiographien
Dan Su, mit Künstlernamen su dance110, ist ein*e chinesisch*e avant-garde Künstler*in, Komponist*in, Choreograf*in und Gründer*in von „3087 Records“. Dey arbeitet mit Klang und Bewegung im Kontext von Performance, Musik und bildender Kunst. Their Studien in quantitativer Methodik und zeitgenössischem Tanz durchdringen their Denken in konzeptueller und physischer Hinsicht. su dance110’s Musik integriert Elemente verschiedenster Genres, extreme Klänge und offene Erzählstrukturen – immer in Übereinstimmung mit their eigenen Label-Philosophie des Acoustic Movies. Als Sänger*in performt su dance110 eine eigene Fantasiesprache, darin finden sich Spielarten des Sprechgesangs von Freestyle-Rap bis Folk-inspirierten Gesangstechniken.
Andreas Völk, geboren 1989 und wohnhaft in Berlin, ist ein vielseitiger Musiker und Künstler, dessen kreative Ausdrucksformen die Grenzen zwischen improvisierter Musik und Video-Kunst vereinen. Seine künstlerischen Bestrebungen beschränken sich nicht auf sein Soloprojekt. Er ist auch aktiv als Gitarrist, Sänger und Produzent in verschiedenen Bands wie Das Ende der Liebe und Center for Mind and Brain. Neben seinen künstlerischen Tätigkeiten ist Andreas als Studio- und Labelinhaber (Sauna Studio Berlin / Anunaki Tabla) aktiv und darüber hinaus Kurator und Organisator der Gaswerk Music Days Berlin.
Laurenz Gemmer setzt seinen künstlerischen Schwerpunkt im Bereich der Klavierimprovisation, seit frühen Jahren prägt er darin einen eigenen, intuitiven Stil, der sich stilübergreifend dem Musikantischen zuwendet. Gemmers künstlerischer Weg entfaltet sich zwischen Neuer Musik, Jazz und „Klassik“. Er beschreibt weiterhin die intensive Beschäftigung mit karnatischer Musik, Clubnächte in Berlin und Zürich, die Zusammenarbeit mit indischen und afrikanischen Musikern als Inspiration. Der vintage Hybrid-Flügel Yamaha CP70 ist aktuell Gegenstand einer beinahe eigenbrötlerischen elektroakustischen Vision und Arbeit an dessen Kombination mit der Software Ableton Live. Improvisation und Interdisziplinarität als essenzielle Kontinuen seiner künstlerischen Arbeit spiegeln sich als Gegenstand und Methode seiner Lehrtätigkeit an den Musikhochschulen in Freiburg und Köln.
Kenn Hartwig (*1986 in Flensburg) Neben seinen Bands Das Ende der Liebe und dem Krautjazz-Outfit C.A.R. malträtiert Kenn Hartwig in seinem Solo-Programm „Gameboys and Pedals“ alte 8-Bit-Schaltkreise bis die Synapsen in Sägezahnwellen schwingen. Der HfMT Köln- und Bundesjazzorchesterabsolvent verbringt seine Zeit auch leidenschaftlich mit Web-Entwicklung und dem Mixen von Tiki-Drinks.
Thomas Sauerborn (*1987 in Nürtingen) ist Schlagzeuger, Komponist, Bandleader und Labelbetreiber wohnhaft in Köln. Sein musikalisches Schaffen fokussiert sich vor allem auf zeitgenössische und experimentelle Strömungen der Musik. Zuletzt veröffentlichte er 2024 sein Solo-Becken-Album [zimbel] music for a suspended cymbal und konzertiert neben Das Ende der Liebe mit seinem europäischen Improvised-Music-Quartett „Mount Meander“, sowie dem „Trio Pollon“ national und international u.a. bei Enjoy Jazz Festival, Klaipeda Jazzfestival (LT), Moers Festival, Copenhagen Jazz Festival (DK), AchtBrücken Köln, WDR Jazzfest, Euroblast Festival und Klavier Festival Ruhr. Seit 2024 ist er geförderter Künstler des NICA artist development.
Das Ende der Liebe x su dance110
Das neue Album: Persist
VÖ: 14.02.2025
Label: Anunaki Tabla
Vertrieb: Broken Silence
Formate: Digital, Double Vinyl, DEDL Megaworld
EAN digital: 4064946412781
Katalognummer: AT-019
Labelcode: 91549
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